Für meine Mutter

„Warum müssen wir eigentlich erwachsen werden?“
fragte das Mädchen ihre Mutter.
„Damit sich irgendwann Großmutters Satz: „Damit du groß und stark wirst“ bewahrheitet“, erwiderte sie lachend.

„Ich meine das Ernst! Ich finde das ziemlich...gruselig und ich will das nicht! Habe Angst...vor dem Erwachsenwerden“, gestand die Kleine.
„Ich möchte nicht so komisch, wie die anderen Erwachsenen werden, die immer lächeln, nur noch arbeiten und vor lauter Arbeit nicht mehr wissen, WO ihr Zuhause ist und wo sie hingehören.

„Du hast dein ganzes Leben noch vor dir! Du brauchst keinem Klischee von Haus,Kind und Hund folgen...
Genieße diese Zeit, denn sie ist nichts was bleibt.
Schau her“.
Die Mutter nahm die Sanduhr aus dem Regal und drehte sie um.
Der Sand rieselte hinunter.
„Schau, so ist das auch mit der Zeit. Ich kann sie nicht aufhalten...“

„Ich aber“, rief sie und stellte die Sanduhr andersherum.
Dann stockte sie plötzlich: „Warum läuft der Sand denn weiter?“
rief sie sichtlich irritiert aus.
„Er soll stehen bleiben!“

„Siehst du? Das meinte ich. Es gibt Dinge, die wir nicht beeinflussen, geschweige denn aufhalten können.
Die Zeit, um nur ein Phänomen zu nennen. Aber es ist nicht schlimm, sieh wie viel Zeit uns doch gegeben ist!
Es kommt nur darauf an, was wir aus ihr machen...“

„Und was hast du gemacht?“

„Na, dich zum Beispiel!“
Mutter lächelte ihre Tochter an.
„Komm schon, lebe die Zeit in deiner kleinen Ewigkeit.“

„Man Mama, das verstehe ich nicht...
Aber ich möchte, wenn ich dann schon erwachsen werden muss, immer noch... leben – voller Fantasie sein, mich an geheime Plätze träumen und mir aus meiner Bettdecke eine Höhle bauen um mich dort zu verstecken, wenn alles zu viel wird. Will immer noch ungefragt Blödsinn reden und vor Lachen Bauchweh kriegen.
Möchte meine Träume leben, aber gleichzeitig noch welche haben...“

„Das klingt gut...“

„Unterbrich mich nicht, Mami!
Kurz gesagt, ich möchte später so wie du werden.
SO eine erwachsene Person, will ICH sein.“

Sie sah ihre Mutter an,
nahm sie in den Arm und flüsterte:
„Danke, dass du mich nicht alleine erwachsen werden lässt.“
©Alina Jacobs