Herzog Grey

„Ich male alles schwarz”, sagst du mir und ich schaue zweifelnd auf meinen Buntstift.
Ich meine das Rot hat die Farbe einer aufgehenden Sonne gehabt,
hat den Tag eingeleitet und gesagt:
„Ich beende jetzt die Nacht”,
wie kann ich denn schwarz malen, wenn mein Stift ein Sonnenaufgang ist,
von solcher Schönheit, dass man ihn nur schwer vergisst?

Das habe ich dir erzählt,
doch du hast es nicht gehört,
weil dich seit jeher die Meeresbrandung stört.
„Sie sei zu laut”, beklagst du dich und in solchen Momenten bemitleide ich dich.
Denn du hast dich schon immer schwer getan, bei den Wundern des Ozean.

Mich stört deine Draufsicht auf die Dinge, die mich faszinieren.
Du hast eine absolute Meinung vom Unbekannten, das, was du nicht kennst und ich sage dir,
Zeit vergeht nicht schneller,
selbst wenn du rennst.

Du kannst nicht allen Bildern einen schwarz-weiß Filter geben,
denn diese Aktion entzieht ihnen
ihr ganzes Leben.

Du bleibst davon unbeeindruckt, sagst ich würde schon noch verstehen,
wie es dazu kommt, den Blick für Farben nicht (mehr) wahrzunehmen.
Ich sagte, ich würde dir das nicht glauben, doch du hast nur müde gelächelt und zu den Büchern gezeigt,
die von Tag zu Tag mehr verstauben.

Mit der Zeit bin ich älter geworden,
hab erkannt, Menschen lassen sich nicht in Schubladen ordnen,
jedoch herrschen Lügen und Intrigen auf Erden
und ich schaff’s nicht mein eigener Herr zu werden,
doch wovon ich mich zweifellos überzeugen konnte, war, die graue Stadt,
die viel Platz für Denkweisen hat.

Denn nichts ist nur unvollkommen oder rein
und ich glaube Menschen können viel mehr als nur gut oder böse sein.
Der Mensch ist vielseitig, sein Horizont und seine Möglichkeiten sind alles andere als klein,
vielleicht auch nicht schwarz oder weiß, aber ist grau nicht eine schöne Alternative?

Du sahst mich an,
mit einem Blick, der mir unmissverständlich zu verstehen gab,
dass du nichts von meinen Worten gehalten hast.
Ich wusste, dass ich dich nicht verstehen kann und hab gehofft,
du wirst dich ändern, irgendwann.

Drum ließ ich die Stadt und die Menschen hier,
ich wusste ihre Ansichten gehören nicht zu mir,
drum passierte ich einen Weg,
an dem kein Wegweiser steht,
ein Hinweis darauf, dass die Zivilisation woanders (weiter)lebt.

Ich wusste, ich würde ankommen,
das Sonnenlicht hatte gerade ein Netz am Horizont gesponnen.
Ich sah dich auf der Lichtung stehen,
konnte nicht anders als zu dir (hin) zu gehen.
Ich nahm deine Hand,
du wusstest, es war nur eine Frage der Zeit, bis ich dich fand.

Ich sagte: „Hey, lange nicht gesehen”
und nahm den schwarzen Mantel ab,
der zu viel Platz für Vorurteile hat.
Die weiße Weste zog ich ebenfalls aus,
denn aus dem Schwarz-Weiß-Denken, bin ich raus.

Nun sahst du mich an
und gingst deinen Weg,
bei dem jeder Schritt
mich ein bisschen mehr bewegt.

Die Sonne spielte mit meinem Haar,
wollte wissen, wer oder was er war.
Ich sagte zu ihr:
„Herzog Grey war hier.“
©Alina Jacobs