Wa(h)res Sch(l)icksal

Eine Kamera, es war deine Kamera.
Sie war gut, sehr gut sogar. Deine Fotos auch.
Gern machte ich mit ihr Bilder.

Und ließ sie mir, unter deinem strengen Blick
und der Ermahnung „Lass sie nicht fallen, Kind.“,
um den Hals legen.
„Wenn ich falle, dann werde ich sie so halten,
dass sie nicht nass wird“.

„Das wirst du nicht, deine Instinkte,
dein menschliches Verlangen nach Leben und Überleben wird dich dazu bringen,
die Kamera fallen zu lassen und nach etwas zu greifen.
Glaub mir.“

Ich schwieg.
„Dann werde ich halt nicht hinfallen.“
„Tu das.“
Ich legte die Kamera aufs Bett, dann ging ich.

Ich wachte auf, 4:58 Uhr, Sonnenaufgang.
Richtig da war ja was, ich wankte in dein Zimmer, nahm deine Kamera und strich dir eine Locke hinters Ohr.
„Ich bring sie dir gleich wieder, versprochen“, flüsterte ich.

Dann legte ich mir den schwarz- grauen Kameragurt um den Hals,
drehte den Deckel ab
und schloss meine Finger um die Gummi überzogenen Konturen, dein Schatz.
Ich hielt ihn in meinen Händen.

Um Punkt 5 Uhr stand ich draußen an der Reling,
eine Hand am Geländer in der anderen die Kamera,
meinen Finger auf dem Auslöser.
Ich wollte schießen, das perfekte Foto. Für dich.
Stellte mich auf die Erhöhung, sah durch die Kamera.
Fokussierte die Sonne.
Eine blutrote Sonne ging auf, unter ihr das dunkelblaue,
fast schwarze Meer mit schäumender Gischt. Malerisch.
Ich drückte den Knopf.

Ein perfekter Abzug. Ich wusste es, wollte wieder gehen, weiter schlafen.
Ich rutschte aus in einem Rinnsal aus Regentropfen.
Fiel.
Im Fallen dachte ich an mein Versprechen,
riss die Kamera vom schwarzen Ledergurt und hielt sie hoch mit der rechten Hand.
Ich schlug hart auf, im salzigen Nass.
Weiterhin oben mit meinen Armen, noch sollte sie nicht untergehen.

Ich merkte, wie die Kälte mich durchdrang
und meine nasse, schwere Kleidung mich herunterriss, auf den Grund.
Glaub mir, ich hielt die Kamera solange hoch,
bis mich jegliche Kraft verließ.
Schade, dass du das Foto nicht gesehen hast.

Dann könntest du mich vielleicht verstehen,
warum dass alles passiert ist
Und das ich es für dich getan habe.

Verzeih, ich habe mein Versprechen gebrochen.